Der Zwick Pflege-Blog

Gemeinsam stark: Tipps für Angehörige im Umgang mit Demenz

Der Umgang mit Demenz wird für immer mehr Menschen eine Herausforderung im Alltag. 2021 lebten Schätzungen zufolge fast 1,8 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland, aufgrund des demographischen Wandels nimmt die Anzahl der Betroffenen jedes Jahr weiter zu. Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für das Umfeld stellt eine Demenz-Erkrankung eine große Herausforderung dar. Der Verlauf einer Demenzerkrankung lässt sich nicht vorhersagen, denn er ist individuell – ebenso individuell sind die Herausforderungen, mit denen Angehörige konfrontiert sind.

Angefangen bei einer eingeschränkten Orientierung und der Beeinträchtigung, Dinge zu verstehen und zu beurteilen über Hin- bzw. Weglauf-Tendenzen bis zum Vergessen alltäglicher Dinge und Gesichter sind im Krankheitsverlauf unterschiedliche Verhaltensausprägungen möglich und stellen die Angehörigen vor allem vor eine Frage: Wie verhalte ich mich richtig im Umgang mit Demenz? 

Umgang mit Demenz: Geduld und Liebe – das beste Rezept gegen das zunehmende Vergessen

In den von Zwick betreuten Demenz WGs in Ahrensburg, Ammersbek, Basthorst und Hammoor leben jeweils 8-12 Demenzkranke zusammen, um die sich unser Pflegeteam liebevoll rund um die Uhr kümmert. Neben der Pflege und Versorgung stehen in den WGs die aktive Mitgestaltung des täglichen Lebens, das auf die spezifischen Bedürfnisse der MieterInnen ausgerichtet ist, im Mittelpunkt.

Hadmut Verch unterstützt seit September 2020 im Pflegeteam Zwick das Qualitätsmanagement in der Pflege und ist verantwortlich für die Organisation und Durchführung interner Schulungen. Hierzu gehören unter anderem die regelmäßigen Demenzschulungen, die dafür sorgen, dass unsere Pflegekräfte den demenzkranken MieterInnen eine optimale Betreuung und Pflege bieten können.

In den Schulungen geht es neben wichtigen Fragen zum Umgang mit Demenz und dem Erfahrungsaustausch im Team vor allem um neue Entwicklungen und Erkenntnisse aus der Demenz-Forschung, die in die Pflegearbeit einfließen.

Im Interview gibt Hadmut Verch Einblicke in ihre Arbeit mit Demenz und gibt wertvolle Tipps für Angehörige zum Umgang mit der Krankheit.

Welchen Rat würden Sie Angehörigen im Umgang mit Demenz besonders ans Herz legen?

Hadmut Verch: „Eine Demenzerkrankung stellt Angehörige vor enorme emotionale Herausforderungen. Um mit der Krankheit besser umgehen zu können, sollten sie zunächst versuchen, die innere Welt des Demenzkranken zu verstehen und diese so anzunehmen, wie sie ist. Das Verhalten ebenso wie Aussagen der an Demenz erkrankten Angehörigen können sehr irrational oder irritierend wirken.

Die Frage nach dem „warum?“ sollte daher an erster Stelle stehen, allerdings nicht als Frage an den Demenzkranken formuliert, sondern in Form einer für sich selbst erstellten Verstehenshypothese: Warum verhält sich der Demenzkranke gerade so? Wenn jemand z.B. aggressiv reagiert, was könnte der Auslöser sein? Passiert gerade zu viel auf einmal? Ist es zu laut? Sind Hunger oder Durst mögliche Ursachen? Liegt es an meinem eigenen Verhalten?

In der Kommunikation ist es wichtig, geschlossene und einfache Fragen zu stellen, da sonst schnell eine Überforderung entsteht. Wenn wir in den Demenz WGs die MieterInnen z.B. fragen, ob sie Wurst, Käse oder lieber eine der drei unterschiedlichen Marmeladen möchten, kann dies bereits zu einer Überforderung führen und entsprechende Reaktionen auslösen.“

Einige Demenzkranke zeigen zeitweise aggressive Verhaltensweisen. Wie sollten Angehörige damit umgehen?

Hadmut Verch: „Auch hier ist es wichtig, die Ursachen zu identifizieren. Versuchen Sie herauszufinden, ob das Verhalten durch Unbehagen, Angst oder Verwirrung verursacht wird. Und vor allem: reagieren Sie ruhig und gelassen, um die Situation zu entspannen. Es kann unter Umständen hilfreich sein, die Aufmerksamkeit des Angehörigen auf eine liebgewonnene Aktivität oder ein vertrautes Thema zu lenken, um das Verhalten zu unterbrechen.“

Wie kann ich einen demenzkranken Angehörigen bestmöglich unterstützen?

Hadmut Verch: „Interaktion spielt eine wichtige Rolle im Umgang mit Demenz, d.h. es ist wichtig, in den Austausch zu gehen, miteinander zu reden, zu lachen, Spaß zu haben. Durch ihre Erkrankung erleben viele Betroffene eine große Verunsicherung, daher ist es für sie umso wichtiger, in ihrem Umfeld gute und gefestigte Beziehungen zu erleben. Bekannte Gesichter und Stimmen, liebgewonnene Rituale – in den Demenz WGs erleben wir täglich, wie wichtig diese Faktoren sind, damit die MieterInnen sich wohlfühlen.

Das Zwick Pflegteam arbeitet in den Demenz WG engagiert daran, den kognitiven Einschränkungen, die die BewohnerInnen aufgrund ihrer Erkrankung erfahren, durch eine aktive Beziehungsgestaltung zu begegnen. Wir erleben, dass dies eine spürbar positive Auswirkung die empfundene Lebensqualität der MieterInnen hat, denn ihre emotionale Wahrnehmung bleibt ja trotz Demenz erhalten.“

Worauf sollte man im Umgang mit Demenzkranken besonders achten?

Hadmut Verch: „Die Demenzforschung hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Frage auseinandergesetzt: Welche Bedürfnisse sind für Demenzkranke besonders wichtig? Der britische Psychologe Tom Kitwood hat den Ansatz der person-zentrierten Pflege etabliert, der die Erfüllung von demenzspezifischen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt:

  • Liebe
  • Trost
  • Sicherheit
  • Einbeziehung
  • Beschäftigung
  • Identität.

Die Befriedigung dieser Bedürfnisse ermöglicht es Demenzkranken, sich wertvoll und wertgeschätzt zu fühlen. In den Demenz WGs orientieren wir uns sehr stark an diesen Erkenntnissen und achten darauf, sie bestmöglich zu erfüllen.“

Wie genau können Angehörige dafür sorgen, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden?

Hadmut Verch: „Generell geht es bei der Erfüllung der Bedürfnisse darum, sich in die Rolle des Demenzkranken einzufühlen und ihm als Mensch auf Augenhöhe zu begegnen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und hängen sehr stark von den individuellen Voraussetzungen ab. Und natürlich davon, wie eng verbunden man mit dem Demenzkranken war und ist. Aber auch wenn Angehörige z.B. nicht so viel über Rituale und liebgewonnene Gewohnheiten wissen, kann man diese auch gemeinsam neu erfinden und etablieren. Zur Erfüllung der demenzspezifischen Bedürfnisse gibt es verschiedene Mittel und Wege:

  1. Liebevoller Umgang: Nehmen Sie sich Zeit für Ihren Angehörigen, zeigen Sie Interesse und Gefühle und nehmen Sie ihn so, wie er ist – zeigen Sie ihm dies auch durch körperliche Nähe und Berührungen.
  2. Spenden Sie Trost: Seien Sie für Ihren Angehörigen da, halten Sie seine Hand, wenn er traurig ist – auch wenn er über Ereignisse trauert, die längst vergangen oder nicht real sind. Hören Sie zu und zeigen Sie Gefühle.
  3. Ein regelmäßiger Tagesablauf mit Struktur, feste Rituale wie z.B. der gemeinsame Kaffee am Nachmittag, vertraute Gegenstände und Bilder, bekannte Gesichter und Stimmen – all dies sind wichtige Faktoren, die Demenzkranken ein Gefühl von Sicherheit.
  4. Der regelmäßige Kontakt zu Angehörigen und anderen vertrauten Personen im Alltag ist sehr wichtig, denn dieser sorgt nicht nur Unterhaltung und Abwechslung, sondern auch das Gefühl von Einbeziehung
  5. Regelmäßige Beschäftigungen, wie z.B. das Bett machen oder den Tisch abräumen, geben Demenzkranken das wichtige Gefühl, anderen helfen zu können und immer noch gebraucht zu werden.
  6. Damit Demenzkranke ihre eigene Identität spüren, ist es wichtig, sich mit ihnen über Erinnerungen auszutauschen, Geschichten aus der Vergangenheit zu erzählen und liebgewonnen Rituale gemeinsam zu zelebrieren. Verwenden Sie gerne vertraute Gegenstände und Fotos, um das Gedächtnis zu unterstützen.“

Einige Demenzkranke bilden sich Situationen ein, in denen Sie sich gerade befinden, die nichts mit der Realität zu tun haben. Wie sollte man in solchen Situationen reagieren?

Hadmut Verch: „Früher hätte man hierauf mit „Realitätstraining“ reagiert und den Demenzkranken erklärt, dass die Realität eine andere ist als das, was sie gerade erleben und berichten. Dieser Ansatz führt nicht zum gewünschten Erfolg, ganz im Gegenteil – wenn Demenzkranke sich in ihren Handlungen nicht verstanden fühlen und von ihrem Umfeld korrigiert werden, fühlen sie sich bevormundet und z.T. sogar bedroht. Wichtig ist es vielmehr, die eingebildete Realität des Demenzkranken als wahr anzuerkennen und nicht zu widersprechen. In dieser Hinsicht hat sich der Umgang mit Demenz grundlegend verändert.“

Wenn Sie aus Ihrer Erfahrung im Umgang mit Demenz die wichtigsten Tipps für Angehörige ableiten würden, welche wären das?

Hadmut Verch: „Aus meiner Erfahrung in den Demenz WGs könnte ich sehr viele Tipps ableiten, denn jede Demenzerkrankung und jeder Demenzerkrankte ist individuell, ebenso die Tipps zum Umgang. Spontan fallen mir die folgenden Leitlinien ein, die für alle Angehörigen hilfreich sein könnten:

  • Sprechen Sie Demenzkranke nicht von hinten oder von oben an, sondern stets auf Augenhöhe. Verwenden Sie kurze, klare Sätze, sprechen Sie langsam und versuchen Sie, während des Gesprächs Blickkontakt zu halten.
  • Setzen Sie Gesten und Berührungen bewusst ein, um Ihre Botschaft zu unterstreichen.
  • Üben Sie sich in Geduld und Verständnis. Wiederholen Sie Informationen sanft und vermeiden Sie es, Ihren Angehörigen zu korrigieren oder zu kritisieren.
  • Sprichworte funktionieren im Umgang mit Demenz sehr gut und wirken bestärkend, insbesondere wenn sie in den Tagesablauf eingebaut werden, um zu bestätigen, dass das Verhalten allgemeine Gültigkeit besitzt. Das Sprichwort „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ z.B. bei MieterInnen, die sehr früh morgens aufstehen.
  • Vermeiden Sie Hintergrundgeräusche, wie z.B. Fernsehen, Radio etc., wenn Sie mit Demenzkranken sprechen.
  • Konzentrieren Sie sich beim Sprechen und Handeln auf eine Sache – zu viele Themen und gleichzeitige Aktivitäten, z.B. sich unterhalten und die Wäsche zusammenlegen, überfordern Demenzkranke schnell.
  • Etwas zeigen funktioniert besser als reden und fragen.
  • Ganz wichtig: Vergessen Sie sich selbst nicht! Nehmen Sie sich Zeit, sich um Ihre eigene Gesundheit und Ihr Wohlbefinden zu kümmern. Es gibt vielfältige Angebote, wie z.B. Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen oder ambulante Pflegedienste. Sie können sich jederzeit bei unserem Pflegedienst melden, wenn Sie Fragen zur Demenz haben oder Unterstützung bei der Pflege benötigen: hier finden Sie alle wichtigen Kontaktinformationen.“

Für Ehepaare, die schon lange zusammen sind, ist der Umgang mit einem demenzkranken Partner eine große Umstellung. Wie kann man sich darauf einstellen?

Hadmut Verch: „Für Ehepartner ist es oft eine große Herausforderung, sich auf den demenzkranken Partner und die mit der Krankheit verbundenen Verhaltensänderungen einzustellen. Plötzlich ist da das Gefühl, statt des bekannten Lebenspartners einen fremden Mann bzw. eine fremde Frau an der Seite zu haben – das gilt für beide Seiten gleichermaßen.

Abhängig von der Tagesform müssen Angehörige damit rechnen, dass ihr Partner sie plötzlich nicht mehr wiedererkennt. Wichtig ist, die neue Realität zu akzeptieren und sich ganz neu auf den ehemals vertrauten Partner einstellen.

Dem Partner kommt eine wichtige Schlüsselfunktion im Umgang mit Demenz zu, denn das Gefühl, einander vertraut zu sein, gemeinsame Rituale zu haben, gemeinsam in die Vergangenheit und Gegenwart zu blicken – all das sind Faktoren, die dem Demenzkranken Sicherheit und Identität geben.

In schwierigen Situationen hilft es, gedanklich einen Schritt zurückzutreten, die Situation zu analysieren und sich zu fragen, warum der Partner sich gerade so verhält. Wichtig ist es, sich in den Demenzkranken einzufühlen, ihm ggf. Trost zu spenden und einfach für ihn da zu sein.“

Wann ist der Zeitpunkt für einen Demenzkranken gekommen, zu dem er nicht mehr alleine leben kann und besser in ein Heim oder eine Demenz WG umzuziehen sollte?

Hadmut Verch: „Diese Entscheidung ist sehr individuell und abhängig von den Umständen und Möglichkeiten. Einige Demenzkranke sind in ein enges Netzwerk aus Familie, Freunden und Nachbarn eingebunden, in dem alle unterstützen und helfen. Andere sind auf sich alleine gestellt, aber auch für sie gibt es z.B. durch einen ambulanten Pflegedienst und Essen auf Rädern Möglichkeiten, sich externe Unterstützung zu organisieren.

Generell gibt es 3 wichtige Entscheidungskriterien:

  1. Stellt das Wohnen in der eigenen Wohnung bzw. Haus eine Gefahr für den Demenzkranken oder andere dar
  2. Fühlt man sich als pflegender Angehöriger mit der Betreuung dauerhaft überfordert?
  3. Ist der Demenzkranke in seiner Häuslichkeit noch glücklich oder ist er sehr einsam?

Kann eine der 3 Fragen mit „ja“ beantwortet werden, sollte der Umzug in eine betreute Einrichtung in Betracht gezogen werden. Da Pflegeheime und Demenz WGs in der Regel Wartelisten haben, sollten Angehörige sich rechtzeitig mit dieser Thematik auseinandersetzen.“

Viele Angehörige können sich das Leben in einer Demenz WG nur schwer vorstellen. Was zeichnet aus Ihrer Sicht die Demenz WGs aus und wie sieht der Alltag aus?

Hadmut Verch: „Der große Vorteil der Demenz WGs besteht darin, dass wir den Demenzkranken aufgrund des Betreuungsschlüssels eine sehr individuelle und intensive Betreuung bieten können.

In den Alltag der WG werden alle MieterInnen einbezogen. Jeder hilft auf seine Art und Weise, sei es beim Essen vorbereiten Kochen oder Wäsche zusammenlegen. Aktivitäten spielen ebenfalls eine große Rolle, natürlich angepasst an die Bedürfnisse und Möglichkeiten der MieterInnen. Jeder wird individuell betreut und einbezogen, so wie er kann und mag. Bei der EM haben wir ein gemeinsames „Puschen-Kino“ veranstaltet, das großen Anklang gefunden hat.

Zu den Aktivitäten, die wir regelmäßig in den WGs anbieten, gehören unter anderem:

  • Sitztanz, also Tanzen im Sitzen – das unterstützt die Beweglichkeit und schützt vor Stürzen
  • Handmassagen
  • Zeitung lesen bzw. vorlesen
  • spazieren gehen
  • Spiele spielen
  • Gemeinsam singen
  • Mit allen MieterInnen machen wir regelmäßig die sogenannte Biografie-Arbeit, d.h. wir reden über ihre Vergangenheit, über wichtige Personen und Ereignisse. Das stützt ihre Erinnerungen und ihr Personengedächtnis.
  • „Therapeutisches Gammeln“ – anders ausgedrückt: einfach mal nichts tun – ist von Zeit zu Zeit sehr wichtig, wobei wir alle MieterInnen natürlich im Blick behalten.

Unser Pflegeteam leistet durch die tägliche Kommunikation und Interaktion einen wertvollen Beitrag dazu, dass die MieterInnen sich wohl, sicher und akzeptiert fühlen. Das Konzept der WGs sieht vor, dass die BewohnerInnen ihr bisheriges Leben so weiterleben, wie sie es kennen und schätzen – wir sind dafür da, sie dabei zu unterstützen. Das ist eine schöne Aufgabe, die uns allen jeden Tag sehr viel Freude bereitet!“

Mehr Informationen und Tipps zum Umgang mit Demenz finden Sie im Interview mit Franziska Weber, Teamleitung der vom Pflegeteam Zwick betreuten Demenz Wohngemeinschaft in Hammoor, und Nadine Koch, Assistentin der Geschäftsleitung für die Demenz Wohngemeinschaften bei Zwick.

Weitere Informationen zu den von uns betreuten Demenz WGs finden Sie hier.

Zwick Pflegeteam
Das Pflegteam Zwick kümmert sich liebevoll und kompetent um die MieterInnen in den Demenz WGs
Umgang mit Demenz_II
Nadine Koch (links), Assistentin der Geschäftsleitung für die Demenz Wohngemeinschaften bei Zwick, und Hadmut Verch im Gespräch
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