Einblicke in unsere Demenz-WGs: Wie Erinnerungen an Weihnachten wieder lebendig werden
Weihnachten ist für viele die schönste Zeit des Jahres – voller Erinnerungen und kleiner Rituale. Doch wie erleben Demenzkranke diese besondere Zeit in einer Wohngemeinschaft?
In den vom Pflege- und Beratungszentrum Zwick betreuten Demenz-WGs in Ahrensburg, Ammersbek, Bargteheide (Hammoor) und Basthorst leben insgesamt 38 MieterInnen. Und dort steht Weihnachten vor allem für drei Dinge: Gemeinschaft, Ruhe und Besinnlichkeit.
Franziska Weber, Teamleiterin in der Demenz-WG in Hammoor, gibt im Beitrag Einblicke, wie das Zwick-Pflegeteam die Weihnachtszeit gemeinsam mit den MieterInnen in der WG gestaltet, welche Rituale wichtig sind und wie kleine Gesten eine große Wirkung entfalten. Ein Blick hinter die Kulissen eines Weihnachtsfestes, das in einer Demenz-WG zwar leiser, dafür aber umso berührender gefeiert wird.
Wie gestalten Sie mit Ihrem Team die Adventszeit in der Demenz-WG?
Franziska Weber: „Jede der von uns betreuten Demenz-WGs gestaltet Weihnachten individuell und im Einklang mit den Bedürfnissen der MieterInnen. In Hammoor starten wir am 1. Advent mit einem gemeinsamen Adventskaffee für MieterInnen, Angehörige und unser Pflegeteam. In der weihnachtlich geschmückten WG stimmen wir uns mit Kaffee, Tee und selbst gebackenen Plätzchen auf die Weihnachtszeit ein.
Die Feier läuft jedes Jahr etwas anders ab, je nachdem, wer teilnimmt und zum Programm beiträgt. Im letzten Jahr hat ein Angehöriger Weihnachtslieder auf der Gitarre gespielt und viele unserer MieterInnen haben mitgesungen oder mit gesummt. Oft entstehen dabei kleine Erinnerungsmomente, die Wärme und Nähe schaffen. Dieser Nachmittag ist ein schöner Auftakt in die Adventszeit, bei dem die enge Gemeinschaft und Geborgenheit in der WG zu spüren sind. Durch das gemeinsame Singen, Schmücken und Plätzchen backen haben die MieterInnen das Gefühl Ich gehöre dazu, ich bin Teil dieser Gemeinschaft.“
Gibt es ein bestimmtes Ritual oder eine Tradition, die den MieterInnen wichtig ist?
Franziska Weber: „Ein fester Bestandteil in unserer Vorweihnachtszeit ist das tägliche Adventskalender-Ritual, das unsere MieterInnen lieben. Jeden Tag, kurz vor dem Mittagessen, lesen wir eine Geschichte aus unserem Adventskalender-Buch vor. Die Geschichten dauern nicht länger als 10 Minuten, um die MieterInnen nicht zu überfordern.
Am Nachmittag wird es dann musikalisch und wir singen Weihnachtslieder. An den Adventswochenenden schauen wir gemeinsam mit unseren MieterInnen klassische Weihnachtsfilme – von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ bis zu anderen vertrauten Klassikern. Diese Rituale schenken nicht nur Freude und Abwechslung, sondern schaffen auch Momente der Geborgenheit und des Wiedererkennens.“
Welche Bedeutung haben Weihnachtsrituale für Menschen mit Demenz?
Franziska Weber: „Rituale sind wichtig. Auch wenn Erinnerungen verblassen, Gefühle, die Demenzkranke mit Weihnachten verbinden – hervorgerufen durch vertraute Düfte, Musik oder Kerzenlichter – bleiben oft erhalten. Weihnachtslieder, Weihnachtsgeschichten sowie alte Filme aus der Kindheit oder Jugend sind oft kleine Türöffner zu früheren Erlebnissen. Dann sehen wir manchmal ein kleines Schmunzeln im Gesicht unserer MieterInnen und sie erinnern sich, wie es früher war. Wir haben eine Mieterin in unserer Demenz-WG, die früher zu Weihnachten Tischdecken genäht hat. Daran erinnert sie sich jedes Jahr zur Weihnachtszeit und freut sich darüber, diese auf den Tisch der WG zu legen.
In unseren Demenz-Wohngemeinschaften ist die Adventszeit voller vertrauter Momente. Wenn wir altbekannte Lieder singen und der Duft von Plätzchen durch die WG-Räume zieht, führt es dazu, dass Erinnerungen an frühere Weihnachten kurz wieder lebendig werden.“
Wird in der Demenz-WG ein Weihnachtsbaum geschmückt?
Franziska Weber: „Ja, einen Tag vor Heiligabend wird bei uns traditionell der Weihnachtsbaum geschmückt – ein Moment, auf den sich viele MieterInnen freuen. Im Wintergarten, mit Blick über die Felder, stellen wir gemeinsam den Baum auf und holen die große Kiste mit unserem gesammelten Weihnachtsschmuck hervor.
Kugeln, Sterne, Strohfiguren und kleine Erinnerungsstücke aus vergangenen Jahren werden nacheinander bestaunt und ausgewählt. Viele unserer MieterInnen helfen aktiv beim Schmücken, andere entscheiden sich für ihre Lieblingskugeln oder zeigen, wohin etwas gehängt werden soll, und wir unterstützen sie.“
Wie gestalten Sie die Weihnachtsfeiertage in der Demenz-WG?
Franziska Weber: „Heiligabend beginnt in der WG bewusst ruhig: die MieterInnen schlafen morgens länger, um Kraft für den besonderen Tag zu sammeln. Einige werden von ihren Familien abgeholt, um gemeinsam Weihnachten zu feiern, andere bekommen in unserer WG Besuch von ihren Angehörigen. Diese Entscheidung bleibt den MieterInnen und ihren Angehörigen überlassen. MieterInnen, die keine Angehörigen vor Ort haben, werden von unserem Pflegeteam liebevoll durch den Tag begleitet, wir lesen Geschichten unter dem Weihnachtsbaum vor und genießen gemeinsam die besinnliche Zeit.
Nach dem Mittag machen wir dann die Bescherung in der WG und die MieterInnen erhalten eine kleine Aufmerksamkeit von unserem Pflegeteam, z.B. warme Socken oder eine weihnachtliche Brosche. Zudem bekommen sie die Geschenke, die ihre Angehörigen im Vorfeld bei uns abgegeben haben. Unter dem festlich geschmückten Baum lesen wir Geschichten vor und die Atmosphäre ist ruhig und besinnlich.
Nach der Bescherung bereiten wir gemeinsam das Essen vor. Traditionell gibt es Kartoffelsalat mit Würstchen und eine Käseplatte – ein Gericht, das viele aus früheren Zeiten kennen und das häufig Erinnerungen weckt. Am 1. Weihnachtsfeiertag stehen Gans oder Ente auf dem Speiseplan, wobei meistens so viel übrigbleibt, dass es auch für den 2. Weihnachtsfeiertag reicht.“
Welche Rolle spielen die Angehörigen bei der Vorbereitung der Weihnachtszeit?
Franziska Weber: „Durch ihre Unterstützung, ihre Zeit und Bereitschaft, Teil der Gemeinschaft zu sein, tragen sie maßgeblich dazu bei, dass die Weihnachtszeit in unserer Demenz-WG so schön und stimmungsvoll wird. Viele Angehörige spenden Weihnachtsschmuck, den Weihnachtsbaum, bringen das Festessen zu den Feiertagen mit – ob eine Ente oder Gans – oder helfen bei der Zubereitung. Der Adventskaffee am 1. Advent ist überwiegend der Organisation der Angehörigen zu verdanken. Dieses Miteinander schafft nicht nur eine festliche Atmosphäre, sondern ein Gefühl von Nähe und Verbundenheit – für dieses Engagement sind wir sehr dankbar.“
Wie erleben die MieterInnen Weihnachten in der WG?
Franziska Weber: „Sie sind überwiegend neugierig und freuen sich auf Weihnachten. Die Rituale und Gerüche, z.B. durch die Mandelplätzchen oder die Weihnachtsgans, wirken beruhigend und tragen dazu bei, dass sie die Zeit genießen können. Die vielen Eindrücke – von den Lichtern über die Besuche ihrer Angehörigen – sorgen gleichzeitig für Aufregung, wenn auch im positiven Sinne. Um unsere MieterInnen nicht mit Sinneseindrücken zu überfordern, achten wir darauf, die Weihnachtszeit in der WG eher ruhig und besinnlich zu gestalten.“
Wenn Angehörige unsicher sind, ob es besser ist, die Mutter bzw. den Vater Weihnachten in der Demenz-WG zu lassen, was raten Sie?
Franziska Weber: „Aufgrund der Biographiearbeit können wir im Vorfeld einschätzen, welches Verhältnis unsere MieterInnen zu Weihnachten haben. Sind sie lebendig und aktiv dabei, zu singen und Plätzchen zu backen, oder sind sie eher distanziert und zurückhaltend? Im ersten Fall sind die MieterInnen über die Weihnachtsfeiertage in der Demenz-WG gut aufgehoben. Man darf nicht vergessen, dass die Demenz-WG und die anderen MieterInnen jetzt ihr Zuhause sind. Ein Ausflug zur eigenen Familie ist daher mit einem gewissen Stress verbunden – von der Autofahrt bis hin zur ungewohnten Umgebung.
In diesem Jahr ist es so, dass unsere MieterInnen, die noch sehr mobil sind, überwiegend nach Hause geholt werden, um dort gemeinsam mit der Familie zu feiern. Im letzten Jahr war es genau andersherum, da sind die meisten MieterInnen in der WG geblieben. Egal, wo sie Weihnachten feiern, wir stellen uns flexibel auf alle Wünsche und Bedürfnisse ein – sie und ihre Angehörigen wissen, dass wir für sie da sind.“
Was waren für Sie persönlich Weihnachtsmomente in der Demenz-WG, an die Sie sich gerne erinnern?
Franziska Weber: „Ich bin jetzt seit 3 Jahren in der Demenz-WG in Hammoor und finde es jedes Jahr wieder schön, zu sehen, wie sich die MieterInnen über die Weihnachtszeit freuen! Sie fangen an, von früher zu erzählen und haben dieses Leuchten in den Augen, wenn wir am Adventssonntag die Kerzen anzünden oder Heiligabend den Baum schmücken. Das sind Momente, in denen viele unserer MieterInnen Tränen der Rührung in den Augen haben.
Heiligabend haben viele unsere MieterInnen den Wunsch, sich festlich zu kleiden. Morgens stehen wir dann gemeinsam vorm Kleiderschrank und suchen etwas Passendes heraus. Sich Weihnachten schick machen, das kennen sie von früher. In diesen Momenten werden viele Erinnerungen wach und es ist für uns als Pflegeteam schön, daran teil zu haben.
Was mich jedes Jahr bewegt, ist das Gemeinschaftsgefühl in unserer WG, das zu Weihnachten noch intensiver spürbar ist. Alle MieterInnen achten aufeinander und sind interessiert zu erfahren, was die anderen bekommen haben und worüber sie sich freuen. Dieses Miteinander begleitet uns zwar durch das ganze Jahr, aber an Weihnachten zeigt es sich auf eine besonders schöne Art.“
Sie suchen Unterstützung für einen Angehörigen oder möchten mehr über unsere Demenz-WGs erfahren? Sprechen Sie uns gerne an!